Zwangsstörungen – ein Überblick zum Störungsbild
Die Zwangsstörung ist ein häufig auftretendes Störungsbild. Personen, die unter Zwangsstörungen leiden, empfinden den unüberwindbaren Drang, an bestimmte Inhalte oder Gedanken immer wieder zu denken oder Handlungen wiederholt auszuführen. So kann bezüglich der Symptomatik zwischen ausschließlich auftretenden Zwangsgedanken, Zwangshandlungen oder einer Kombination aus beiden unterschieden werden. In der Fachliteratur wird das Risiko einer Person, im Laufe ihres Lebens an einer Zwangsstörung zu erkranken, zwischen 2% und 3% angegeben. Männer und Frauen sind dabei gleichermaßen betroffen. Die Zwangsstörung ist eine Form der Angsterkrankung, der Begriff „Zwangsneurose“ ist eine frühere Bezeichnung für dieses Störungsbild, welche heute jedoch kaum noch Verwendung in der Literatur findet.
Abzugrenzen ist die Zwangsstörung von der sogenannten zwanghaften Persönlichkeitsstörung, hierbei handelt es sich stattdessen um eine überdauernde Persönlichkeitsakzentuierung, in der Betroffene in fester Überzeugung einen übermäßigen Wert auf feste Strukturen, Abläufe oder Regeln legen. Ebenfalls abzugrenzen ist die Zwangsstörung von der Tic-Störung, bei der Betroffene meist unbewusst motorische Abläufe oder verbale Äußerungen wiederholen. Tritt die Zwangssymptomatik in Zusammenhang mit einem anderen Störungsbild (z.B. der Sucht, einer degenerativen körperlichen Erkrankung oder einer depressiven Störung) auf, so sollte zunächst diagnostisch geklärt werden, in wieweit es sich bei der Symptomatik um eine eigenständige Störung handelt, um so im Vorfeld die bestmögliche Behandlungsoption zu wählen.
Psychische und körperliche Symptomatik
Im Vordergrund von Zwangsstörungen stehen übermäßige gedankliche Beschäftigung bzw. Zwangsgedanken sowie auch Zwangshandlungen und -rituale. Betroffene Personen drängen sich Gedanken und Vorstellungen förmlich auf, diese beinhalten vorrangig Szenarien, die nachfolgend mit schwerwiegenden bzw. existentiellen Konsequenzen für die betroffene Person selbst oder auch für Außenstehende in Zusammenhang stehen. So kann beispielsweise eine betroffene Person den angstauslösenden Gedanken entwickeln, anderen Menschen durch unachtsames Verhalten z.B. beim Autofahren Schaden zuzufügen. Sie befürchtet, – ohne es bemerkt zu haben – jemanden an- oder überfahren zu haben und beschäftigt sich nachfolgend stundenlang gedanklich mit den möglichen Konsequenzen ihrer letzten Autofahrt. Weitere Beispiele für Zwangsgedanken sind u.a. aggressive Zwangsgedanken, Zwangsgedanken mit sexuellem oder religiösem Inhalt oder Zwangsgedanken, die sich auf Symmetrie bzw. Genauigkeit, Verschmutzung oder den eigenen Körper beziehen. Oft wissen Betroffene selbst, dass diese Gedanken übertrieben oder unsinnig sind, es ist ihnen jedoch nicht möglich, sich aus eigenem Willen ausreichend von diesen Gedanken zu distanzieren. Ablenkungen durch die Umwelt stellen meist nur eine kurzfristige Entlastung dar, da die Zwangsgedanken sich nach kurzer Zeit wieder wie von alleine einstellen.
Zwangsgedanken führen auf Dauer oft zu einer hohen Grundanspannung im Alltag, so dass betroffene Menschen sich körperlich erschöpft, ruhelos und dauerhaft belastet empfinden. Nicht selten fühlen betroffene Menschen intensive Scham bzw. Schuld, diese negativen Gedanken immer wieder zu denken. Sie nehmen sich selbst als unnormal wahr und verschweigen daher oft lange Zeit das Ausmaß ihrer Symptomatik gegenüber Angehörigen, Lebenspartnern oder behandelnden Personen.
Zwangsgedanken treten nicht selten zusammen mit sogenannten Zwangs- bzw. Neutralisationshandlungen auf. Diese Verhaltensweisen und Rituale werden von Betroffenen zur Angstreduktion eingesetzt und dienen vorrangig der Selbstberuhigung. So kann der Gedanke, das Abschalten von Elektrogeräten im Haushalt vielleicht vergessen zu haben, zur Befürchtung der selbstverschuldeten Fahrlässigkeit und möglicherweise auch der Gefährdung von Nachbarn führen. Um die dadurch entstehende Angst beim Betroffenen zu mildern, kontrolliert dieser nun wiederholt alle für ihn kritischen Elektrogeräte, bis die Angst vor katastrophalen Konsequenzen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen ist – erst dann ist er in der Lage, die Wohnung zu verlassen. Neben diesem Kontrollzwang sind weitere Beispiele für Zwangshandlungen u.a. Wiederholungszwänge, Ordnungszwänge, Zählzwänge oder Reinigungs- und Waschzwänge. Da für Betroffene nicht die Sinnhaftigkeit der Handlung selbst, sondern die angstmildernde Wirkung von Bedeutung ist, müssen Zwangshandlungen nicht zwangsläufig sinnvoll oder nachvollziehbar sein, sondern können mitunter auch unlogisch, bizarr oder „abergläubisch“ anmuten – wie z.B. das zwanghafte Berühren eines Gegenstands, um dadurch eine vermeintlichen Verkehrsunfall zu verhindern. Oft gehen diese Handlungen bzw. Rituale jedoch mit steigendem Zeitaufwand einher, da es für Betroffene immer schwieriger wird, auf sich selbst oder ihrer Wahrnehmung zu vertrauen oder die Handlungen mit der Zeit an Wirksamkeit verlieren und weitere Handlungen nötig sind. Auf Außenstehende wirken diese Verhaltensweisen oft seltsam oder verzögern den Alltag maßgeblich, so dass sich Betroffene aus Scham vermeintlich sinnvolle Erklärungen für ihre Verhaltensweisen einfallen lassen, um ihr Verhalten plausibel erklären zu können. Oft verhindert diese Scham oder die Überzeugung Betroffener, das Problem selbst in den Griff zu bekommen, dass sich betroffene Menschen früh- bzw. rechtzeitig in eine psychotherapeutische Behandlung begeben
Auslöser, Aufrechterhaltung und Auswirkungen
Die Auslöser einer Zwangsstörung können sehr unterschiedlich sein und es gibt medizinische und psychologische Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltung dieser Störung. Neben der Zwei-Faktoren-Theorie von O. H. Mowrer (1960), die die Entstehung und Aufrechterhaltung von Zwängen und Ängsten lerntheoretisch über die klassische Konditionierung (Entstehung) und operante Konditionierung (Aufrechterhaltung) erklärt, ist auch die kognitiv-verhaltenstherapeutische Theorie von P. Salkovskis (1999) zur Entstehung von Zwangsstörungen zu nennen. Grundsätzlich denken wir jeden Tag sehr viele Gedanken, dabei können wir nicht verhindern, dass sich einige dieser Gedanken uns sogar aufdrängen und angstauslösend sein können. Die Störung entsteht hierbei analog zum Modell jedoch durch die negative Bewertung dieser sich aufdrängender Gedanken. Durch Vermeidung der auftretenden Gedanken (durch Unterdrückung oder durch Handlungen zur Neutralisation) kommt es zu einer kurzfristigen Erleichterung, jedoch drängen sich die angstauslösenden Gedanken nach einer Weile erneut auf. Die betroffene Person hat nun jedoch gelernt, sich durch die Vermeidung kurzfristig Erleichterung zu verschaffen und wendet diese Strategien nun immer wieder an. Da jedoch nur kurzfristig die auftretende Angst reduziert wird, der Gedanke jedoch seine angstauslösende Wirkung nicht verliert und sich die betroffene Person nicht an den Gedanken gewöhnen bzw. diesen akzeptieren kann, festigt sich die Problematik mit der Zeit und die Störung wird aufrechterhalten. Neben diese Theorien sind zudem auch andere mögliche Einflussfaktoren wie die Übernahme von sehr strengen Werten und Regeln in der Erziehung, übermäßige und frühe Verantwortungsübernahme oder hohes Pflichtbewusstsein bei der Bewertung der angstauslösenden Gedanken von Bedeutung. Auch neurobiologische Faktoren wie Ungleichgewicht im Neurotransmitterhaushalt werden heute bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung diskutiert.
Die Folgen von Zwangsstörungen sind für betroffene Personen und Angehörige meist erheblich – Betroffene beschäftigen sich fortwährend mit ihren Zwangsgedanken, Zwangshandlungen nehmen im Alltag zunehmend mehr Zeit zur Bewältigung in Anspruch und betroffene Alltagsaktivitäten werden oft auch gänzlich vermieden, um weitere Zwangsgedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dadurch wird der Handlungsspielraum der betroffenen Personen maßgeblich eingeschränkt. Zudem können einige Zwangshandlungen in exzessiver Form wie z.B. Wasch- oder Reinigungszwänge auch sehr gravierende gesundheitliche Folgen für den Körper haben. Nicht selten nehmen Bezugspersonen unfreiwillig eine aufrechterhaltende Funktion ein – da Betroffene mit der Zeit ihrer eigenen Wahrnehmung „nicht mehr trauen“, bitten sie Familienmitglieder, Lebenspartner oder andere Bezugspersonen in ihrer Not um Unterstützung oder übertragen ihnen die entsprechenden Aufgaben vollständig – z.B. die Kontrolle von Haushaltsgeräten, der Eingangstür, das Autofahren. Dadurch sichern sich betroffene Menschen ab, denn sie übernehmen nun in ihrer Vorstellung nicht mehr die alleinige Verantwortung. Diese Strategien helfen Betroffenen kurzfristig durch ihre angstreduzierende Wirkung, allerdings ergeben sich dadurch im Alltag immer weniger Möglichkeiten, aus eigener Kraft aus diesem Teufelskreis auszubrechen und die Störung wird dadurch langfristig aufrechtgehalten bzw. gefestigt. Zudem werden Familienmitglieder oder andere Bezugspersonen durch die Auswirkungen der Symptomatik auf den täglichen Alltag oder die eingeforderte Unterstützung oft selbst sehr gefordert, empfinden sich rat- und hilflos oder stoßen dadurch selbst an eigene Belastungsgrenzen.
Diplom-Psychologe Andreas Behnke
Psychologischer Psychotherapeut (VT) aus Bad Soden am Taunus
Diagnostik & Psychotherapie von Zwangsstörungen
Besteht bei Ihnen der Verdacht auf eine Zwangsstörung, so können Sie gerne zur Abklärung einen Termin für ein Erstgespräch bzw. eine Sprechstunde in meiner Praxis vereinbaren. Anhand klinischer Diagnostik und einem persönlichen Kennenlerngespräch kann ich prüfen, ob Sie an einer Zwangsstörung erkrankt sind, dann bei Bedarf eine entsprechende Diagnose stellen und mit Ihnen zusammen geeignete Therapiemaßnahmen bzw. Expositionen planen.
Hinweis: Frei verfügbare Selbst- bzw. Schnelldiagnosetests aus Zeitschriften, Magazinen oder dem Internet sind häufig sehr allgemein gefasst und berücksichtigen daher oft nicht alle Symptome oder Ihre individuellen Lebensumstände.
Ich behandle bereits seit mehreren Jahren Patienten mit Zwangsstörungen, sowohl im Therapiegespräch als auch im Rahmen von Expositions- bzw. Konfrontationsübungen im gewohnten Umfeld des Patienten. Als Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie arbeite ich in meiner Praxis vor allem symptomorientiert und setze im meiner Behandlung direkt an der Veränderung des Problemverhaltens an. Ich identifiziere mit Ihnen Zwangsgedanken und -rituale, vermittle Ihnen Informationen zum Störungsbild und hinterfrage gezielt ungünstige und aufrechterhaltende Überzeugungen. Ich überprüfe mit Ihnen Vorstellung und Realität und unterstütze Sie dabei, die Restrisiken befürchteter negativer Konsequenzen akzeptieren zu lernen. Gemeinsam mit Ihnen plane ich geeignete Konfrontationsübungen mit Reaktionsverhinderung für den Alltag und führe – wenn nötig oder sinnvoll – auch gemeinsame Expositionen in Ihrem gewohnten Umfeld durch. Ich helfe Ihnen dabei, wieder selbstfürsorglich mit sich und Ihren Kräften umzugehen, durch kleine Schritte und gezielte Interventionen Ihren Handlungsspielraum zurückzugewinnen und dadurch wieder aktiver am Leben teilzunehmen zu können.
Weiterführende Informationen zur Zwangsstörung:
Methoden in der Verhaltenstherapie: die Exposition
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Über die Praxis
Praxis für Psychotherapie, Diplom-Psychologe Andreas Behnke, Psychologischer Psychotherapeut.
Kognitive Verhaltenstherapie (Einzel) für Erwachsene, Termine nach Vereinbarung. Coaching sowie Paarberatung auf Anfrage.
Lage & Telefonische Erreichbarkeit
Meine Praxis befindet sich in zentraler Lage von Bad Soden am Taunus. Die telefonischen Sprechzeiten meiner Praxis sind:
– Montags von 16 – 18 Uhr sowie
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